Donnerstag, 25. März 2010

Der befohlene Leserbrief

Am 6. März erschien in der Frankfurter allgemeinen Zeitung ein Artikel, welcher den Zustand des Bundesheeres kritisch unter die Lupe nahm. Wenig verwunderlich, dass die FAZ ein nicht gerade positives Bild zeichnete. „Technisch veraltet und finanziell ausgemergelt“ sein das Bundesheer der „Skifahrernation“. Aufgezählt werden alte und wenig einsatzklare Panzer, Flugzeuge und Hubschrauber – 200 Offiziere im Generalsrang „in betätigungslosen Stabsfunktionen“ – 15350 Milizsoldaten welche nur als „papierene Größe vorhanden“ sind – usw.

Die Reaktion aus der Zentralstelle kam in Form eines Leserbriefes von General Entacher an die FAZ....zumindest unterzeichnet hat er ihn. Denn, Kenner des Generals und seines Stils bezweifeln, dass er selbst diesen Brief geschrieben hat, sondern ordnen dessen Herkunft eher dem Umfeld des Minister zu. Wie man so hört soll dem General der fertige Leserbrief zur befohlenen Unterfertigung vorgelegt worden sein. Aber lesen Sie selbst:

In der FAZ-Ausgabe vom 6. März 2010 hat Redakteur Dr. Reinhard Olt in seinem Artikel "Viele Offiziere, wenig taugliches Gerät" mit spitzer Feder einen mehr oder weniger kräftigen Rundschlag gegen den Zustand des Österreichischen Bundesheeres geführt. Dabei greift er in erster Linie auf jene von Offiziersgesellschaft und Milizverband bereits in österreichischen Medien geübte Kritik zurück. Angereichert mit Zahlen und vermeintlichem Detailwissen mag der Bericht in den Augen des unbedarften Lesers als glaubwürdig erscheinen, entspricht jedoch nicht der Realität.
Natürlich wünsche ich mir als Generalstabschef mehr Budgetmittel - das ist legitim. Trotz Budgetknappheit waren aber da und dort durchaus beachtliche Investitionen in unsere Ausstattung und Ausrüstung möglich. Und: das Bundesheer konnte auch in dieser schwierigen Lage bisher alle ihm übertragenen Aufgaben erfüllen: ob bei internationalen Friedensmissionen oder bei Katastrophen- und humanitären Krisenfällen.Seit 1960 waren mehr als 80.000 Soldaten aus Österreich an Krisenschauplätzen auf nahezu allen Kontinenten eingesetzt. Zukünftig wird sich die internationale Ausrichtung weiter verstärken. In den kommenden zwei Jahren beteiligen sich Bundesheerange­hörige an den unter niederländischer bzw. deutscher Führung stehenden EU-Battlegroups, um als Krisenreaktionskräfte unserem Motto "Schutzund Hilfe" gerecht zu werden.

Dass das Österreichische Bundesheer vor gewaltigen Herausforderungen steht, ist unbestritten und wir werden uns ihnen zu stellen haben. Wir werden im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU unseren solidarischen Beitrag leisten, ohne die Hausaufgaben in der Heimat zu vernachlässigen. Konstruktive Kritik nehmen wir ernst, aber es ist meines Erachtens unstatthaft, politische Attacken auf dem Rücken unseres Bundesheeres auszutragen.

General Mag. Edmund Entacher, Chef des Generalstabs des Österreichischen Bundesheeres, e.h.

„entspricht jedoch nicht der Realität“ steht da geschrieben unterzeichnet vom Chef des Generalstabs des ÖBH. Allerdings scheint es so, dass die veröffentlichte Realität des Generals von der internen erheblich abweicht. Nicht anders ist es zu erklären, dass das Nachrichtenmagazin FORMAT am 25. März ein heeresinternes Strategiepapier enthüllt in dem eben jener General Entacher eine andere Realität offenbart. So heißt es dort, dass „ein Beitrag zur EU- Verteidigung, die territoriale Landesverteidigung und ein internationales Krisenmanagement mit Kampfeinsätzen nicht zu erfüllen sind.“

Die Landesverteidigung im Sinne von Ausbildung und der allgemeinen Einsatzvorbereitung sind bei Fortschreibung des Verteidigungsbudgets mit "größeren Aufgabeneinschränkungen" verbunden, heißt es in diesem Papier – welches jedoch auf dem inzwischen obsoleten Bundesfinanzrahmengesetz 2011 – 2013 ausging.
"Selbst der Bedarf der Priorität 1 ("Fähigkeitserhalt am unteren Ende") ist in KEINER der präsentierten Budgetentwicklungsvarianten abdeckbar“ lautet es in dem Schreiben.

Wäre also zu klären ob der Chef des Generalstabs des Österreichischen Bundesheeres angesichts zweier diametraler Texte mit seiner Unterschrift unter einer
Persönlichkeitsspaltung leidet oder ihm eine der beiden Unterschriften faktisch „abgenötigt“ wurde um in der Öffentlichkeit ein Bild zu zeichnen welches nicht der Realität entspricht. Also - wer hat wohl die Macht Entacher wider besseres Wissen zu einer Unterschrift zu zwingen ?

Sonntag, 14. März 2010

Auf der Pirsch

Heute beschäftigen wir uns nicht mit dem Minister, sondern mit seinem Pressesprecher, Magister Stefan Hirsch.

Die Aufgabe eines Pressesprechers ist relativ einfach erklärt. Neben der umfassende Darstellung der politischen Positionen und Tätigkeiten seines Chefs kommt noch die Ausarbeitung von Kommunikationskonzepten, die Kommunikationsberatung und Themenfindung sowie mediengerechte Aufbereitung derselben, die Erstellung von Presseaussendungen, die Organisation von Pressegesprächen, -konferenzen und –veranstaltungen sowie noch einige andere Kleinigkeiten – und natürlich die Pflege von Kontakten zu den Medien.

Diese „Pflege“, vor allem die Form in der sie stattfindet, lässt sich durchaus flexibel gestalten. In Staaten in denen demokratische Spielregeln gelten gibt es allerdings Grenzen - immerhin kommunizieren hier tragende Säulen eben jener Demokratie. Zumindest sollte es sie geben. Denn was besagter Mag. Hirsch unter „Pflege von Medienkontakten“ offenbar versteht hat mit diesen Spielregeln nicht mehr viel zu tun – dieser misslungene Versuch der Einschüchterung, Einschränkung und Manipulation der Medien passt viel eher in weniger ansehnliche Regierungsformen.


Aber fangen wir vielleicht von vorne an.

Im Standard vom 11.März erlaubt sich der Innenpolitikredakteur Conrad Seidl unterschwellig etwas Kritik am Minister der sich lieber mit den Leichen von Nazi-Opfern auf Kasernengeländen als mit den aktuellen Budgetkürzungen und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf sein Ressort beschäftigt.

Dies veranlasst Hr. Mag. Hirsch folgendes Mail an den Herausgeber des Standard Oscar Bronner sowie den Ressortleiter Innenpolitik des Standard Michael Völker zu verfassen:



Von: HIRSCH, Stefan stefan.hirsch@bmlvs.gv.at

Gesendet: Donnerstag, 11. März 2010 12:46

An: Bronner Oscar

Cc: Völker Michael


Betreff: Anmerkung zur Berichterstattung


S.g. Herr Herausgeber!
Es liegt mir als Pressesprecher
eines Ministers fern, die Nachrichtenselektion und die redaktionelle Arbeit einer Tageszeitung zu kritisieren. In diesem Fall ist es mir aber ein Anliegen, Ihnen Feedback auf die Berichterstattung zu den SS-Verbrechen in der ehemaligen SS-Kaserne Wetzelsdorf zu geben. Wir haben gestern im Rahmen eines Pressegespräches gemeinsam mit dem Historiker Univ.Prof. Dr. Dieter Binder der Öffentlichkeit bekannt gegeben, dass sich mit größter Wahrscheinlichkeit noch sterbliche Überreste von bis zu 77 durch die SS ermordeter Personen am Gelände der heute vom Bundesheer genutzten Belgier-Kaserne in Graz befinden. Diese neue wissenschaftliche Erkenntnis konnte durch den Zugang von bisher gesperrten Archivbeständen in den USA gewonnen werden. Die Leichname werden exhumiert und sollen würdig bestattet werden. Den Sachverhalt haben wir auch dem Justizministerium weitergegeben, da zwei SS-Schergen, die an der Ermordung der vorwiegend ungarischen Juden beteiligt waren, nach Kriegsende vermutlich nach Deutschland geflüchtet sind und noch leben könnten.
Der Standard war an dieser Pressekonferenz durch Conrad Seidl vertreten. Dem Standard, dem auch im Sommer 2008 die Untersagung der Teilnahme des Bundesheeres am Ulrichsbergtreffen durch den Verteidigungsminister nur eine Kurzmeldung wert war, war auch die Aufarbeitung von NS-Verbrechen durch das Verteidigungsministerium nur eine vier-zeilige Meldung wert. Stattdessen hat Herr Seidl an anderer Stelle in einem größeren Bericht zum Heeresbudget kritisch angemerkt, dass sich Darabos „lieber darauf konzentriert die Geschichte aufzuarbeiten“ als sich eben mit dem Heeresbudget auseinanderzusetzen. Herr Seidl schreibt weiter: „…dem Heer soll ein reines Gewissen verschafft werden.“
Nicht nur dass dieses sensible Thema in einen Budget-Artikel verpackt wird, was an sich fragwürdig ist, wird darin noch zynisch angemerkt, dass sich der Minister „lieber“ mit der Aufarbeitung der NS-Verbrechen auseinandersetzt. Ich darf anmerken, dass die Bemühungen des „des kroatischen Wehrdienstverweigerers“ (wie er von den Rechtsextremen genannt wird) bereits mehrfach ähnlich zynisch von der rechtsextremen Internet-Plattform Alpen-Donau Info kritisiert wurden.
Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass wir uns weder vom Standard negativ beeindrucken oder von sonst jemanden daran hindern lassen, mitzuhelfen, die verbrecherische Vergangenheit lückenlos aufzuarbeiten, um einer Wiederholung derartiger entsetzlicher Vorkommnisse überzeugend entgegenzuwirken. Aus Respekt vor den Opfern und deren Familien ist es unsere Pflicht alles daran zu setzen, jedem einzelnen Verbrechen nachzugehen. Es ist für den Verteidigungsminister enorm wichtig, dass das 1955 gegründete Bundesheer mithilft, die dunklen Flecken der Geschichte der Streitkräfte aufzuarbeiten. Das betrifft nicht nur die Nazi-Zeit sondern auch Verbrechen der k.u.k-Armee. Das Bundesheer hat als heutiger Eigentümer von ehemaligen Nazi-Kasernen eine moralisch-ethische Verantwortung, NS-Verbrechen genauestens zu untersuchen. Eine Pressekonferenz zu diesem Thema abzuhalten, gerade wenn es neue Erkenntnisse gibt, hielten wir für sehr wichtig und absolut notwendig – auch vor dem Hintergrund, dass es heute Bewerber um das höchste Amt im Staat gibt, die ein zweifelhaftes Geschichtsverständnis haben.
Mit freundlichen
Grüßen
Stefan Hirsch



So funktioniert das jetzt im BMLV mit der „Pflege von Medienkontakten“. Passt einem die Berichterstattung nicht greift man (reflexartig) zur Faschismuskeule und macht die unliebsame Journaille platt. Denkste. Es gibt in diesem Land trotz der Übermacht von Krone, News und Heute noch integeren Journalismus, welcher nicht auf Zuruf oder gegen Bares Wunschgemäßes zu Papier bringt.

Darunter auch Andreas Unterberger, welcher tags drauf die Sache gleich zum Anlass nimmt um in seinem Tagebuch die Sache gleich ins richtige Licht zu rücken.


Und natürlich wollen wir Ihnen nicht die Reaktion des betroffenen selbst vorenthalten.
Das Schlusswort zu diesem Blogeintrag hat Conrad Seidl selbst und erfordert keine weiteren Erklärungen:




Sehr geehrter Herr Magister Hirsch,

mit Befremden habe ich das Schreiben gelesen, das Sie heute Mittag an den Herausgeber des Standard gerichtet haben und das offenbar auch Empfänger in Ihrem Ministerium hatte. Ich antworte darauf, auch wenn Sie es nicht der Mühe wert gefunden haben, mir eine Kopie dieses diffamierenden Schreibens zu senden.

Inhaltlich bestätigt Ihr Schreiben ja das, was ich im Standard korrekt berichtet habe: Dem Herrn BM ist am Tag, an dem eine drastische Budgetkürzung bekannt wird, die die Einsatzfähigkeit des Bundesheeres gefährden könnte, die Aufarbeitung von 65 Jahre zurückliegenden Verbrechen wichtiger. Selbstverständlich ist es richtig, die Opfer respektvoll zu behandeln, aufzuklären was aufzuklären ist, Gedenktafeln und Ehrenmale zu errichten und in Würde zu gedenken. Aber der Zeitpunkt, zu dem das BMLVS dies kommuniziert, lässt dies als klassisches Ablenkungsmanöver und eben nicht als ein würdiges Gedenken erscheinen. Wenn man es böse formulieren wollte – was sich vermieden habe – könnte man sagen: Der Herr BM missbraucht das Gedenken an Nazi-Opfer, um von seinem eigenen Versagen bei der Budgeterstellung abzulenken.

Ich bin – offenbar anders als Sie – kein regelmäßiger Besucher des Alpen-Donau-Internetauftritts. Ich weiß daher auch nicht, ob dort wahrheitsgemäß berichtet wird oder nicht und auch nicht, ob der Herr BM dort in zynischer Weise kritisiert wird. In Ihrem Schreiben unterstellen Sie mir allerdings, dass ich wie ein Rechtsextremer argumentierte. Da Sie mich kennen, werden Sie das wahrscheinlich nicht wirklich ernst meinen.

Aber wenn Sie mir Zynismus unterstellen, erlaube ich mir doch die Frage, ob es nicht von Zynismus zeugt, wenn man die Gefährdung des Lebens von österreichischen Soldaten und der ihrem Schutz anvertrauten Bevölkerung durch eine massive Budgetkürzung mit anderen – moralisch durchaus einwandfreien - Aktivitäten zu kaschieren sucht, um sich so der Kritik zu entziehen. Das Bundesheer schleppt schon jetzt einen Rucksack von nicht getätigten oder aufgeschobenen Beschaffungen in der Höhe von über 15 Mrd. Euro mit sich herum. Gleichzeitig wird veraltetes Gerät weiterbetrieben, das wegen seiner steigenden Betriebskosten immer größere Teile des Budgets "frisst" – aber der Herr BM verzichtet offenbar leichtherzig auf Teile des Budgets, anstatt sich auf die Seite jener zu stellen, die entsprechende Investitionen fordern, um das Bundesheer einsatzfähig zu erhalten.

Die Argumentation des Herrn BM, die Sie gestern ebenso wie ich in der Pressekonferenz gehört haben und die auch Sie in Ihrem Schreiben anklingen lassen, kann ich menschlich und politisch durchaus nachvollziehen: Es ist dem Herrn BM eine schwer erträgliche Vorstellung, dass jemand wie die Frau LR Rosenkranz Oberbefehlshaberin des ÖBH werden könnte. Ihre Formulierungen legen nahe, dass die gestrige Pressekonferenz nicht zuletzt deshalb angesetzt wurde, um den Bundespräsidentschafts-Wahlkampf zu beeinflussen. Umso treffender wäre mein Schluss, dass dies dem Herrn BM wichtiger wäre als das Budget.

In seiner Pressekonferenz hat der Herr BM ausgeführt, dass man ihn nicht für alle Versäumnisse seiner Vorgänger verantwortlich machen kann. Das stimmt. Umso mehr muss kritischer Journalismus mögliche aktuelle Versäumnisse zur Sprache bringen.

Ich kann verstehen, dass Ihnen das unangenehm ist. Dass Sie aber unterstellen, der Standard oder ich persönlich würden versuchen, das BMLVS oder den Herrn BM daran zu hindern, NS-Verbrechen aufzuklären, ist schon sehr weit hergeholt. In Kenntnis der handelnden Personen müssten Sie wissen, dass das nicht unsere Absicht sein kann. Im Gegenteil: Die korrekte Aufarbeitung der schweren historischen Last ist eine solche Selbstverständlichkeit, dass sie eigentlich keiner besonderen Erwähnung bedarf. Sie ist auch (entgegen dem Eindruck, den der Herr BM derzeit zu vermitteln versucht) keineswegs neu: Das Bundesheer hat 1967 – unter BM Georg Prader (ÖVP) – die Breitenseer Kaserne nach den Widerstandskämpfern Biedermann, Huth und Raschke benannt. Das ÖBH hat im Jahr 1984 – unter BM Friedhelm Frischenschlager (FPÖ) – mit einer Angelobung im Karl-Marx-Hof seiner problematischen Rolle im Bürgerkrieg gedacht.

Ihnen ist Ihre Jugend und die relativ kurze Befassung mit der Geschichte des Bundesheeres zugute zu halten. Ich aber habe mich von frühester Kindheit mit diesen Dingen befasst, weil ich aus einer alten Offiziersfamilie stamme und mein Onkel, der inzwischen verstorbene General Adolf Gaspari, mir immer ein Vorbild an Anstand war.

Dass Sie meine Berichterstattung „fragwürdig“ nennen, kann wohl nur aus der verzerrten Perspektive entstehen, die sich beim Blick aus dem Büro eines von vielen Seiten und in vielen Punkten zu Recht kritisierten Ministers ergibt. Aber ich lade Sie gerne ein, dass wir dies einmal bei einem Bier besprechen.
Mit höflichem Gruß

Conrad Seidl
PS: Dass ein Sprecher eines Verteidigungsministeriums einen Journalisten durch die Unterstellung einer niedrigen Gesinnung zu diffamieren und denunzieren versucht, kommt sonst eigentlich nur in Staaten mit wenig gefestigter demokratischer Kultur vor. Ihre implizite Drohung, dass Sie sich nicht „negativ beeindrucken lassen“ würden, haben Sie wahrscheinlich nicht so böse gemeint, wie sie rübergekommen ist. Ich meine es auch nicht böse, wenn ich verspreche, mich von Ihnen nicht einschüchtern zu lassen. Ich werde mir erlauben, diesem Schreiben die nötige Öffentlichkeit zu verschaffen.